Die Berichterstattung über das Coronavirus kann Kinder und Jugendliche enorm beunruhigen. Nicht zuletzt, weil sich die Krise durch Schulschließungen, Ausgangsbeschränkungen und Kontaktverbote direkt auf ihren Alltag auswirkt. Was kann ihnen dabei helfen, den derzeitigen Ausnahmezustand zu bewältigen, und welche Rolle spielen die Medien dabei?

Ob im Radio, Fernsehen, in Zeitungen oder auf Social-Media-Plattformen: Das Coronavirus ist überall. Auch Kinder und Jugendliche, die häufig (noch) kein ausgeprägtes Interesse an tagesaktuellen Nachrichten haben, werden derzeit unweigerlich mit Informationen über COVID-19 konfrontiert. Das bleibt nicht ohne Folgen. Medienpsychologische Studien belegen, dass Nachrichteninhalte je nach Alters- und Entwicklungsstufe teilweise starke Ängste auslösen können. Jüngere Kinder fühlen sich häufig von der Informationsdichte und Aufmachung der Beiträge überfordert oder fürchten um das Wohlergehen ihrer Angehörigen.

Mit zunehmendem Alter und fortgeschrittener kognitiver Entwicklung sind es eher abstrakte Aspekte der Krise, z. B. schwer einzuschätzende politische und gesamtgesellschaftliche Folgen, oder über Social Media verbreitete Fake News, die für Verunsicherung sorgen.[1] [2] [3] [4] 

So unterschiedlich die Auslöser nachrichtenbezogener Angst und Beunruhigung sind, so vielfältig sind auch die Wege, mit entsprechenden Inhalten umzugehen. Die eingesetzten Bewältigungsstrategien können dabei zwei grundlegende Funktionen erfüllen: Zum einen können sie im Sinne einer problemorientierten Bewältigung darauf abzielen, die stressauslösende Situation (in diesem Fall entweder die Rezeptionssituation und/oder die durch das Coronavirus veränderte Lebenssituation) zu beeinflussen. Zum anderen können sie auf die Regulierung der damit einhergehenden Emotion ausgerichtet sein (emotionsorientierte Bewältigung). [5]

Problemorientierte Bewältigung: Alles unter Kontrolle?

Regelmäßig und gründlich Hände waschen, Abstand halten oder am besten ganz zu Hause bleiben: Um das Virus einzudämmen und Schlimmeres zu verhindern, kann jeder etwas tun. Mit Blick auf bisherige Erkenntnisse aus dem Bereich der Bewältigungsforschung sind das gute Nachrichten. Stress und negative Emotionen entstehen nämlich vor allem dann, wenn die eigenen Möglichkeiten, auf das Geschehen Einfluss zu nehmen, als gering wahrgenommen werden.[6] Aktiv etwas zur Verbesserung der Situation beitragen zu können, ist ein beruhigender Gedanke und kann maßgeblich zu einer funktionalen Bewältigung beitragen.

Falls sich die Angst des Kindes also auf einen Krankheitsfall in der eigenen Familie bezieht, können Eltern die Wirksamkeit der allgemeinen Schutzmaßnahmen betonen. Auf diese Weise verstärken sie das Gefühl, dem neuartigen Virus nicht machtlos gegenüberzustehen, sondern das Ansteckungsrisiko durch das eigene Handeln gezielt reduzieren zu können. Zusätzlich kann es Kindern Halt und Sicherheit geben, sich verstärkt auf die Dinge im Alltag zu konzentrieren, die nach wie vor im eigenen Einflussbereich liegen. Dazu zählt zum Beispiel, tägliche Routinen wie gemeinsame Mahlzeiten beizubehalten oder Pläne für die Zukunft zu schmieden. Dies kann helfen, negative Gefühle abzuschwächen und optimistischer in die Zukunft zu blicken.

Doch nicht nur im realen Leben, auch im Internet können Heranwachsende aktiv werden. Dort finden sich verschiedene Projekte und Aktionen, die das Coronavirus thematisieren und für die Einhaltung der Schutzmaßnahmen werben. An vielen dieser Aktionen können sich, im Rahmen ihrer Möglichkeiten, auch Kinder und Jugendliche beteiligen. Das ermöglicht ihnen, sich kreativ mit dem Thema auseinanderzusetzen und so ein Gefühl von Selbstwirksamkeit zu entwickeln.

Resultieren Ängste und Sorgen aus der Rezeption reißerischer oder unverständlicher Nachrichtenberichte, ist eine gezielte Nutzung kindgerechter Formate sinnvoll. Entsprechende Angebote helfen dabei, die aktuelle Situation besser zu verstehen und auf diese Weise Ängste und Sorgen zu relativieren. Mit Blick auf Coronavirus-bezogene Fake News, die momentan vermehrt im Netz kursieren und Heranwachsende zusätzlich verunsichern können, empfiehlt sich zudem eine kritische Auseinandersetzung mit der Medienberichterstattung. Online gibt es verschiedene Anlaufstellen, die helfen, Falschnachrichten als solche zu identifizieren, und im Zweifelsfall für Klarheit sorgen (z. B. der ARD-Faktenfinder oder der SWR3-Faktencheck).

Emotionsorientierte Bewältigung: Trotz Krise ein gutes Gefühl

Falls problemorientierte Bewältigungsbemühungen ins Leere laufen oder das Gefühl von Angst und Bedrohung übermäßig stark ausgeprägt ist, kann es helfen, sich bei der Bewältigung auf die Regulierung des emotionalen Erlebens zu konzentrieren.[7] Emotionsregulierende Strategien haben das Ziel, negative Gefühle und die zugehörige physiologische Erregung abzubauen. Um die Angst bzw. Anspannung zu lösen, können spezielle Entspannungstechniken eingesetzt werden. Einen ähnlich entspannenden Effekt können Kinder und Jugendliche aber auch erzielen, indem sie Aktivitäten nachgehen, die ihnen Spaß machen und sie auf andere Gedanken bringen. Ob es sich dabei um Bewegung an der frischen Luft, Lesen oder Computerspielen handelt, ist nebensächlich – Hauptsache, die jeweilige Aktivität ist mit den geltenden Maßnahmen zur Virusbekämpfung vereinbar. 

Soziale Unterstützung: In Verbindung bleiben

Zu den Einschränkungen, die Kinder und Jugendliche besonders hart treffen, zählen Schulschließungen und Kontaktsperren. Diese machen ein persönliches Treffen mit Gleichaltrigen quasi unmöglich. Das wiederum kann den Bewältigungsprozess erschweren. Schließlich spielt soziale Unterstützung im Umgang mit Stress und negativen Emotionen eine wesentliche Rolle.[8]

So kann die Zuwendung zu anderen zum einen der Problemlösung und dem Informationsaustausch dienen, zum anderen aber auch auf eine rein emotionale Unterstützung in Form von Zuspruch und Verständnis abzielen. Zwar sind die Eltern in der Regel auch in Zeiten häuslicher Isolation als Unterstützungsquelle verfügbar und können mit ihrem Kind über Ängste sprechen, Informationen einordnen und es trösten. Mit zunehmendem Alter gewinnen allerdings Peers als Unterstützer*innen immer mehr an Bedeutung. In Zeiten von „Social Distancing“ ist es daher vor allem für ältere Kinder und Jugendliche wichtig, virtuell in Verbindung zu bleiben. Social-Media-Plattformen, Messenger-Dienste und Tools für Videotelefonie helfen dabei. 

Die Rolle von Medien im Coping-Prozess

Die vorangegangenen Überlegungen verdeutlichen die Ambivalenz, die die Rolle der Medien in dieser speziellen Situation kennzeichnet. So können medial vermittelte Nachrichten einerseits Ängste und Sorgen auslösen bzw. verstärken – vor allem dann, wenn entsprechende Beiträge aufgrund ihrer Aufmachung nicht für Kinder geeignet sind. Gleichzeitig kann die Nutzung zielgruppenspezifischer Nachrichtenangebote dazu beitragen, mit der vorherrschenden Situation, die zumeist mit einem erhöhten Informationsbedürfnis einhergeht, besser fertig zu werden. Schließlich werden durch die kindgerechte Einordnung der aktuellen Entwicklungen viele als bedrohlich wahrgenommene Informationen von selbst relativiert.

 
Medien sind im Coping-Prozess aber nicht nur als Informationsquelle von Bedeutung. Vielmehr können sie bei der Stressbewältigung auf verschiedenen Ebenen zum Einsatz kommen. Wie oben bereits angedeutet, kann Mediennutzung sowohl der Entspannung und Ablenkung als auch einer kreativen Auseinandersetzung mit der Thematik (z. B. im Rahmen des medienpädagogischen Projekts #CoronaAlleinZuHaus) dienen. Zudem erleichtern es Skype, FaceTime und Co., mit Freund*innen und Familie in Kontakt zu bleiben, und gewährleisten somit den Zugriff auf soziale Coping-Ressourcen. Gerade wenn andere Bewältigungsmöglichkeiten angesichts der aktuellen Gegebenheiten wegfallen, können medienbezogene Strategien also vielversprechende Alternativen bieten.
 
Das sollte allerdings kein Freifahrtschein für stundenlanges Fernsehen oder Surfen im Internet sein. Auch wenn besondere Situationen besondere Maßnahmen erfordern und die aktuellen Umstände sicher die ein oder andere Ausnahme rechtfertigen, sind Eltern gefordert, die Mediennutzung ihrer Kinder im Blick zu behalten. Schließlich können sich die positiven Aspekte auch ins Gegenteil verkehren – dann etwa, wenn erhöhter Medienkonsum zur Vernachlässigung bzw. zum Verlust sozialer Beziehungen, zu Eskapismus oder exzessiver Informationssuche führt.

Die Mischung macht’s

Insgesamt gilt: Für den Umgang mit Angst und Sorgen im Zusammenhang mit der Coronavirus-Berichterstattung gibt es kein Patentrezept. Was hilft und was nicht, ist zum einen von verschiedenen Personenmerkmalen wie dem Alter[9], den vorhandenen Coping-Ressourcen (sozialer Unterstützung, Selbstwert, Problemlösekompetenz etc.) [10] und der Persönlichkeit[11]  des Kindes abhängig. Zum anderen ist eine effektive Bewältigung immer auch an situative Faktoren geknüpft[12].

Verändert sich die Ausgangssituation, muss das Bewältigungshandeln entsprechend an die neuen Bedingungen angepasst werden. Angesichts der dynamischen Entwicklungen um das Coronavirus – den immer neuen Erkenntnissen und sich verändernden Maßnahmen – ist es daher wichtig, in Sachen Coping flexibel zu bleiben. Meist ist es ohnehin nicht eine einzelne Strategie, sondern vielmehr die Kombination unterschiedlicher situationsgerechter Strategien, die zum Erfolg führt. Wenn in der aktuellen Situation, die für alle Beteiligten neu ist, bewährte Vorgehensweisen die Angst nicht reduzieren und das Kind mit seinem bisherigen Coping-Repertoire an Grenzen stößt, gilt es, gemeinsam neue, gegebenenfalls auch mediengestützte Bewältigungsmöglichkeiten zu entwickeln und auszuprobieren. Inwieweit sich diese Strategien bewähren und eventuell auch auf andere belastende (Medien-)Phänomene oder Situationen übertragbar sind, wird in künftigen Studien zu überprüfen sein.

                    
[1] Cantor, J. & Nathanson, A. (1996). Children’s Fright Reactions to Television News. Journal of Communication, 46(4), 139–152.
[2] Walma van der Molen, J. H. & Bushman, B. J. (2008). Children’s Direct Fright and Worry Reactions to Violence in Fiction and News Television Programs. The Journal of Pediatrics, 153(3), 420–424.
[3] Lemish, D. (2011). Wenn Kinder Krieg und Katastrophen in den Medien sehen. Der internationale Forschungsstand zur Kriegs- und Krisenberichterstattung für Kinder. Televizion24(2), 35-39.
[4] Walma van der Molen, J. H., Valkenburg, P. M., Peeters, A. L. (2002). Television news and fear: A child survey. Communications: The European Journal of Communication Research, 27(3), 303-317.
[5] Lazarus, R. S. & Folkman, S. (1984). Stress, appraisal and coping. New York: Springer.
[6] Lazarus, R. S. (1999). Stress and emotion: A new synthesis. New York: Springer Publishing Co.
[7] Lazarus, R.S. (1993). Coping theory and research: Past, present, and future. Psychosomatic Medicine, 55, 243-247.
[8] Lohaus, A., Domsch, H. & Fridrici, M. (2007). Stressbewältigung für Kinder und Jugendliche. Heidelberg: Springer.
[9] Hampel, P. & Petermann, F. (2005). Age and Gender Effects on Coping in Children and Adolescents. Journal of Youth and Adolescence 34(2), 73-83.
[10] Compas, B.E. (1987). Coping with stress during childhood and adolescence. Psychological Bulletin, 101(3), 393-403.
[11] Connor-Smith, J. K., & Flachsbart, C. (2007). Relations between personality and coping: A meta-analysis. Journal of Personality and Social Psychology, 93(6), 1080–1107.
[12] Klein-Heßling, J. & Lohaus, A. (2003). Zur situationalen Angemessenheit der Bewältigung von Alltagsbelastungen im Kindes- und Jugendalter. Kindheit und Entwicklung, 11(1), 29-37.

Der Beitrag „Coping mit Coronavirus-News: Was hilft Kindern und Jugendlichen, mit Sorgen und Ängsten umzugehen?“ erschien zuerst auf der Webseite des Leibniz-Instituts für Medienforschung|Hans-Bredow-Institut.

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